Familie sind mehr als nur Menschen. Wie bei mir die Menschen aus dem Sauerland, die mich großgezogen haben. Am liebsten spreche ich von der „Familie Mensch“. Du bedeutet, dass man in jedem Menschen – in jedem Kind, jedem Mann, jeder Frau, in Alten und Jungen – einen Seelenverwandten sehen kann, einen Bruder, eine Schwester, auch wenn er oder sie eine andere Hautfarbe hat oder eine andere Sprache spricht. Das liegt bei mir vielleicht am vielen Reisen. Ich denke: Es kann überall familiäre Räume geben. Das hat nichts damit zu tun, ob die Menschen, die man dort traf, Blutsverwandte sind oder nicht.
Meine Schwestern waren ganz wichtig, aber meine Eltern haben auch diese Zeit in meinem Leben nicht so richtig verstanden, glaube ich. Sie waren froh, dass ich wieder da war, sie mochten auch meinen Mann, aber sie haben nicht verstanden, was mich alles bewegt hat, und waren keine Ansprechpartner in diesen Jahren. Als dann aber die Krise kam und mein Mann und ich uns so mit Anfang dreißig getrennt haben, da war plötzlich meine Ursprungsfamilie wieder sehr wichtig für mich. Ich hatte trotz aller feministischen Debatten und Auseinandersetzungen mit den älteren Frauen in meiner Umgebung damals bei der Heirat meinen Mädchennamen, meinen Familiennamen abgegeben und den meines Mannes angenommen. Ein großer Fehler, wie ich heute finde. Aber ich glaube, ich wollte einfach nicht weiter so heißen wie mein Vater. Ich wollte aber auch nicht aus einem theoretischen Feminismus heraus etwas mitmachen, was noch nicht meins war, und meinen Namen einfach behalten.
Ich war noch sehr jung, als wir geheiratet haben, erst 23. Jedenfalls habe ich als allererstes, als ich geschieden war, meinen Mädchennamen wieder angenommen. Und jetzt heiße ich wieder wie meine Ursprungsfamilie, weil das auch diejenigen waren, die so bedingungslos zu mir gehalten haben in all der Zeit. Das war eine schwierige Zeit damals, kann man sich ja vorstellen. Ich war todtraurig, wir sind beide aneinander gescheitert. Dazu gehören tatsächlich immer zwei – das ist nicht nur ein platter Spruch. Ich habe meinen Mann verpasst und er hat mich verpasst, wie auch immer. Jedenfalls lebt er jetzt in einer klassischen Kleinfamilie: Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in einem kleinen Häuschen. Den alternativen Lebensstil hat er hinter sich gelassen, während ich weiter in unserer ehemals gemeinsamen WG in Kassel geblieben bin. Ich habe meine Ursprungsfamilie zurückerobert, wie ich finde.